Eine einsame Hütte im Wald als Hauptsitz zahlreicher Unternehmen; eine verlassene Büroumgebung, in der scheinbar niemand regelmäßig arbeitet, auf dem Papier aber Millionenumsätze gemacht werden; und ein Graf, der im Jahr 2024 seine eigenen Steuern durch ein juristisches Relikt aus der Kaiserzeit eintreibt. In gemeinsamer Forschung mit dem ZDF Magazin Royale Wir haben kürzlich über die absurdeste Steueroase Deutschlands berichtet: die Waldhütte des Grafen Gregor von Bismarck.

Nun stellt sich heraus, dass noch mehr Unternehmen ihren offiziellen Sitz in der einfachen Holzhütte fernab der Zivilisation haben als bisher bekannt. Das Firmennetzwerk führt auch zu einem Projektpartner aus der Stadt Hamburg – der vom Bund mit Millionen gefördert wird.

Mehr Unternehmen in der Steueroase Bismarcks

Mindestens 21 Unternehmen teilen sich das alte Jagdschloss mit der Adresse „Stangenteich 2“ mitten im Sachsenwald in Schleswig-Holstein, darunter zahlreiche Tochtergesellschaften der beiden millionenschweren Hamburger Unternehmen Aves One und Luxcara. Wir haben darüber im Oktober 2024 berichtet. Tatsächlich gibt es mindestens zwei weitere Unternehmen, die sich ein Büro in der Hütte des Waldbesitzers Graf Gregor von Bismarck teilen. Auch die „Lx Clean Energy GmbH“ und die „Lx Green Energy GmbH“ haben ihren Sitz am Stangenteich 2. Beide gehören zum Luxcara-Firmennetzwerk. Damit sind es insgesamt fünf Unternehmen, die der Hamburger Energieinvestor in der Bismarck-Waldhütte angesiedelt hat. Auf die Frage, ob es in der Hütte im Wald noch weitere Filialen gäbe, antwortete Luxcara nicht.

Die einsame Hütte im Wald wird trotz der Fülle an dort registrierten Unternehmen nur selten von Menschen besucht. Das ist es, was unsere Forschung mit ihm hat ZDF Magazin Royale Ergebnis. Mithilfe einer Wildkamera konnten wir über einen Zeitraum von zwei Monaten dokumentieren, dass sich nur selten Menschen auf die Hütte zubewegten. In den meisten Fällen schien es sich um Touristen oder Freizeitsportler zu handeln. Briefe, die wir an die Firmenadressen im Wald geschickt hatten – und die mit einem Tracker vorbereitet wurden – landeten nicht in der Hütte, sondern wurden über ein Büro des Waldbesitzers Gregor von Bismarck an die Zentrale des Mutterkonzerns in Hamburg weitergeleitet .

Regelmäßiger Arbeitsort im Wald?

Sowohl Gregor von Bismarck als auch alle in der Hütte ansässigen Unternehmen erklärten, dass die Waldhütte regelmäßig als Büro genutzt wurde und dort keine Briefkastenfirmen betrieben wurden, um von den niedrigen Gewerbesteuern im Wald zu profitieren. Eine Luxcara-Firmensprecherin schrieb uns, dass zumindest die Geschäftsführung der jeweiligen Firmen „in der Regel mindestens einmal im Monat“ in der Hütte sei, um zu arbeiten. Unserer Berichterstattung zufolge teilte Luxcara mehreren Medien mit, dass die Hütte im Wald vom Management mindestens einmal, wahrscheinlicher zweimal im Monat, für die Arbeit genutzt wurde.

Alexandra Gräfin von Bernstorff war bis Februar 2024 alleinige Geschäftsführerin aller fünf Luxcara-Tochtergesellschaften mit Sitz in der Waldhütte. Gräfin von Bernstorff ist Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von Luxcara. Und sie vertritt die Unternehmensgruppe prominent nach außen. Luxcara ist seit kurzem Projektpartner der Hamburger Energiewerke bei einem geplanten Wasserstoffkraftwerk in Hamburg. Fotos von der Presseveranstaltung zum symbolischen Baubeginn zeigen Alexandra von Bernstorff neben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck – und mit einem Bundesförderbescheid über mehr als 150 Millionen Euro.

Wir haben Luxcara um eine Bestätigung gebeten, dass Gräfin von Bernstorff in ihrer Funktion als Geschäftsführerin der fünf im Sachsenwald registrierten Unternehmen jahrelang tatsächlich ein- bis zweimal im Monat kilometerweit in den Wald gefahren ist, um in der Hütte zu arbeiten. Einige Tochtergesellschaften von Luxcara sind seit 2019 in der Waldhütte von Bismarck ansässig. Darauf haben wir keine Antwort erhalten.

Auch der Geschäftszweck der beiden nun bekannt gewordenen Luxcara-Unternehmen in der Waldhütte wirft Fragen auf. Bisher hatten die Geschäftsführungen aller dort ansässigen Unternehmen argumentiert, dass es sich um reine Verwaltungsgesellschaften handele und daher über kein Personal verfüge. Sowohl Lx Clean Energy als auch Lx Green Energy haben jedoch nur eine im Handelsregister eingetragene Geschäftstätigkeit: die Beratung von Unternehmen bei Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien. Luxcara beantwortete unsere Frage nicht, wie diese Tätigkeit angesichts der äußerst sporadischen Nutzung der Hütte als Geschäftslokal durchgeführt wird.

Politiker erstatten Anklage wegen Steuerhinterziehung

Nach der Veröffentlichung unserer Recherchen erstatteten zwei linke Politiker Strafanzeige gegen Gregor von Bismarck und alle in der Hütte im Wald registrierten Unternehmen. Es besteht der Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung. „Luxcara bildet ein Konsortium mit den Hamburger Energiewerken – und wird nun bei der Steuerhinterziehung im Sachsenwald erwischt“, erklärt der Hamburger Abgeordnete Stephan Jersch.

Die Hamburger CDU hat bereits eine Kleine Anfrage zur angeblichen Steuerhinterziehung im Wald eingereicht und steht der Rolle Luxcaras äußerst kritisch gegenüber. Sie weist darauf hin, dass der Hamburger Senat das Unternehmen vor der Zusammenarbeit mit Luxcara einer Sorgfaltspflicht unterzogen habe; eine besonders sorgfältige Prüfung, die mögliche rechtliche Risiken und problematische Investitionen großer Unternehmensnetzwerke aufdecken soll. Der Hamburger Senat muss nun beantworten, ob die Fülle an Zweigen in einer Hütte mitten im Wald zwar bemerkt, aber nicht berücksichtigt wurde.

Auch andere Gremien arbeiten derzeit an den Ergebnissen unserer Forschung. In Schleswig-Holstein fordern Parteipolitiker aus Regierung und Opposition übereinstimmend, dass die rechtlichen Grundlagen für die absurde Steuerstruktur im Bismark-Sachsenwald überprüft und bestenfalls abgeschafft werden. Dass ein Wald eine eigene – sehr niedrige – Gewerbesteuer erheben kann, geht auf einen besonderen Rechtsstatus zurück, der seine Wurzeln in der Kaiserzeit hat. Darüber hinaus prüft der zuständige Bezirk derzeit, ob Gregor von Bismarck gegen Baurecht verstoßen hat, als er das Jagdschloss am Stangenteich als Büro umgemeldet und Büroflächen an zahlreiche Unternehmen vermietet hat.

Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein wird hoffentlich in Kürze über einen Eilantrag unsererseits entscheiden. Es ist nicht bekannt, wie viel Gewerbesteuer seit der Gründung der Steueroase im Sachsenwald an den Waldbesitzer Gregor von Bismarck gezahlt wurde. Da Bismarck sich weigerte, uns hierzu Auskunft zu geben, verklagten wir ihn unter Berufung auf das Presserecht.

→ Zu unserer bisherigen Berichterstattung

→ Zur Berichterstattung des ZDF Magazin Royale

→ Zu unserer Klage gegen Gregor von Bismarck

→ Über unsere Korrespondenz mit Behörden, Unternehmen und Gregor von Bismarck



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