Der Energiekonzern RWE sponsert Willkommenspakete für Babys. Für Deutschlands zweitgrößten Energieversorger ist das 2.500 Euro wert. Das RWE-Logo finden Sie auf dem mitgelieferten Familienhandbuch und auf den Verpackungskartons. Die Babyboxen sind Teil eines Deals zwischen der Stadt Elsdorf im Rheinland und RWE. Ein Deal, der besteht, obwohl bereits mehrere Stadtteile dem RWE-Braunkohletagebau weichen mussten.
Im Rahmen dieser Vereinbarung übernimmt RWE außerdem die Kosten für 400 Kindersicherungen für Steckdosen und 500 Kindersuchaufkleber. Dabei handelt es sich um Aufkleber, die am Kinderzimmer angebracht werden und es Rettungskräften ermöglichen, im Notfall – etwa bei einem Brand – sofort zu erkennen, welches Zimmer sie zuerst evakuieren müssen. Es ist zynisch, dass ein Unternehmen, das zu einem großen Teil für die Zerstörung der Erde durch die Klimakatastrophe verantwortlich ist, kostenlose Kinderfinder-Aufkleber verteilt. Getreu dem Motto: Wenn die Welt wegen uns brennt, haben wir zumindest dafür gesorgt, dass zuerst das Kinderzimmer evakuiert wurde.
Aus unseren Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz geht hervor, dass die Stadt Elsdorf mehrere solcher Sponsoringverträge mit RWE abgeschlossen hat. Auf unsere erste Anfrage hin schickte uns der Bürgermeister eine Übersichtsliste aller im September 2023 mit RWE geschlossenen Verträge – allerdings nur „sofern ich dazu berechtigt bin“. Trotz wiederholter Nachfrage weigerte sich die Stadt zunächst, die Vereinbarungen zu veröffentlichen oder auch nur Auskunft darüber zu geben, welche weiteren Verträge sie mit RWE geschlossen hatte. Deshalb haben wir, die ZRR-Forschungsgruppe, im April mit Hilfe von FragDenStaat die Stadt Elsdorf verklagt.
Zusätzlich zu den Baby-Willkommenspaketen hat uns die Stadt Elsdorf nach Klageerhebung lediglich zwei weitere Verträge mit RWE zugesandt. Aus dem ersten Vertrag geht hervor: RWE hat insgesamt 6.000 Euro für einen Spielplatz bezahlt. Bei einem zweiten Auftrag geht es um die ganzjährige Baumbeleuchtung, konkret um Bäume, die „mit energiesparenden Lichterketten umhüllt“ sind. Dafür zahlte RWE der Stadt über zwei Jahre hinweg insgesamt 15.000 Euro.
Zu beiden Deals gehört, dass das RWE-Logo auf den Spielgeräten und beleuchteten Bäumen angebracht wird, dass RWE im Kulturkalender der Stadt und allen Printmedien sowie „in der gesamten Berichterstattung – auch auf der Homepage der Stadt“ erwähnt wird und dass dort Es wird eine Pressekonferenz zu den beleuchteten Bäumen geben. In den Verträgen wird die gesellschaftliche Verantwortung erwähnt, die RWE dadurch übernehmen würde. Diese „soziale Verantwortung“ steht im krassen Gegensatz zu den gesellschaftlichen Schäden durch die Klimakrise, für die RWE mit einem Beitrag von 0,5 Prozent der weltweiten Emissionen eine erhebliche Verantwortung trägt.
In der Vergangenheit gab es fragwürdige Verträge zwischen RWE und Kommunen im Rheinland. 2017 kaufte RWE die Schweigestadt Kerpen im rheinischen Kohlerevier. Der Stadtteil Manheim sollte dem Tagebau weichen und umgesiedelt werden. Damit die Stadt keine Kritik daran äußert, hat RWE einen Deal mit ihr abgeschlossen. Der WDR berichtete letztes Jahr darüber. Der Vertrag sah unter anderem vor, „dass die Weiterentwicklung des Tagebaus [Hambach] „wird von der Stadt Kerpen nicht in Frage gestellt“. Im Gegenzug erhielt die Stadt von RWE „Hilfen und konkrete Projekte“ in Form von Spenden und Sponsoringmaßnahmen für örtliche Vereine.
Die „üblichen Bräuche“
Die Stadt Kerpen sieht darin nichts Skandalöses, teilte dem WDR jedoch mit, dass eine solche Vereinbarung „absolut der üblichen Praxis entspricht“. Um dies zu untersuchen und zu prüfen, ob andere Kommunen solche oder andere Knebelungsvereinbarungen mit RWE getroffen haben, haben wir, die ZRR-Forschungsgruppe, im Rahmen unseres FragDenStaat-Stipendiums andere Nachbarkommunen zum Strukturwandel im rheinischen Kohlerevier befragt. Wir sind auf die Verträge zwischen Elsdorf und RWE gestoßen.
Diese Deals werfen Fragen auf: Wie unabhängig können Kommunen die Interessen ihrer Bürger vertreten? Warum verweigern sie die Veröffentlichung von Dokumenten und schaffen so Transparenz?
Transparenz erst nach Klageerhebung
Nachdem die Stadt Elsdorf unsere Anfragen monatelang ignoriert hatte, haben wir sie verklagt. Erst während der Klage gab sie die oben genannten Vereinbarungen frei. Auf unsere Frage, ob es noch andere Verträge gäbe, zu deren Ausstellung der Bürgermeister nicht befugt sei, behauptete die Stadt vor Gericht, dass es keine solchen Verträge gäbe.
Letztlich versicherte die Stadt, dass es nach „umfangreicher Recherche in den Archivunterlagen“ nicht zu einem Schweigedeal à la Kerpen gekommen sei. Es ist gut, dass sich die Stadt Elsdorf da nun sicher ist. Und es ist schlimm, dass wir sie dafür verklagen mussten.
→ Anfrage an die Stadt Elsdorf
→ Sponsorenverträge der Stadt Elsdorf
→ Anfragen an alle Gemeinden im Rheinkreis