Ein Design Change ist eine Änderung der Auslegung eines Produkts. Es ist wichtig zu verstehen, welche regulatorischen Implikationen daraus entstehen und wo es unter Umständen einen Einfluss auf die Gültigkeit der Konformitätserklärung des Produkts gibt.

Dieser Artikel gibt einen Überblick und löst damit viele derzeit gängige Missverständnisse auf.

Damit Sie schnell und sicher entscheiden können, ob ein Design Change im Sinne der Übergangsregeln der EU-Verordnungen (MDR/IVDR) signifikant ist und Sie damit Ärger mit Behörden vermeiden können.

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1. Design Change: Um was es geht

1.1 Definition

Die deutsche Ausgabe der MDR/IVDR übersetzt „Design-Change“ als „Änderungen der Auslegung“ des Produkts. D.h. immer dann, wenn sich am Entwurf des Medizinprodukts etwas ändern würde, liegt eine Design-Änderung vor.

Unter Design Change versteht man somit nicht (nur) die Änderung des (grafischen) Designs eines Produkts.

Vielmehr versteht man darunter jede Änderung des Entwurfs eines Produkts vor oder nach dessen jeweiliger Freigabe.

Beachten Sie, dass MDR und IVDR auch eine Änderung der Zweckbestimmung als Design Change auslegen, selbst wenn das Produkt völlig unverändert bleibt.

1.2 Beispiele

Von einer Design-Änderung/einem Design Change spricht man beispielsweise, wenn der Hersteller das Folgende ändert:

  • das Layout einer Platine
  • die Benutzer-Produkt-Schnittstelle (das „User Interface“)
  • die Funktionen, die das Produkt anbietet (weil dadurch etwas an der Auslegung geändert werden muss)
  • Leistungsangaben z. B. die Nachweisgrenze  eines Immunoassays oder die Energieabgabe eines HF-Chirurgiegeräts
  • Materialien, aus denen das Produkt gefertigt ist

Wenn ein Software-Entwickler feststellt, dass die bereits freigegebene Architektur einen Fehler enthält und diese ändert (implizit im Code oder/und explizit im Architektur-Dokument), dann liegt auch ein Design Change vor.

Wie bereits erwähnt, zählen MDR und IVDR auch eine geänderte Zweckbestimmung, z. B. neue Indikationen oder eine andere Anwendergruppe als Design Change.

2. Regulatorische Anforderungen

2.1 Anforderungen der FDA an Design Changes

Die FDA hat festgestellt, dass man bei Problemlösungen oft neue Probleme einführt. Deshalb fordert sie, dass die Hersteller diese „Lösungen“ (Änderungen) sehr sorgfältig bewerten, bevor sie sie realisieren.

Konkret schreibt der 21 CFR § 820.30(i) „Design changes“:

Each manufacturer shall establish and maintain procedures for the identification, documentation, validation or where appropriate verification, review, and approval of design changes before their implementation.

21 CFR § 820.30(i)

In der Diskussion dieses Paragrafen weist die FDA auf Folgendes hin:

  1. Stellen Sie sicher, dass die Dokumente entsprechend überarbeitet und gelenkt (z. B. versioniert und freigegeben) werden
  2. Stellen Sie durch Verifizierung und Validierung sicher, dass das Problem, das mit diesem Design Change gelöst werden soll, auch wirklich gelöst ist.
  3. Achten Sie darauf, dass die Änderungen genehmigt sind und dass bewertet wird, dass keine neuen Probleme durch die Änderung verursacht wurden und die bisherigen Anforderungen weiterhin erfüllt werden.
  4. Kommunizieren Sie die Änderungen, damit andere Entwicklungsabteilungen, die Produktion, der Vertrieb und die Kunden darüber Bescheid wissen.

2.2 ISO 13485 zu Design- und Entwicklungsänderungen

Auch in Europa gibt es Anforderungen an den Umgang mit „Design Changes“. So fordert die ISO 13485 in Kapitel 7.3, die Design- und Entwicklungsänderungen zu lenken.

Die Forderungen gleichen denen der FDA: Die Änderungen müssen

  • genehmigt,
  • bewertet,
  • verifiziert und validiert und
  • dokumentiert werden.

2.3 MDR/IVDR

Sowohl die EU Medizinprodukte-Verordnung MDR als auch die EU-Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) gehen an mehreren Stellen auf Design-Änderungen ein, beispielsweise in:

  • MDR Artikel 10 (9) / IVDR Artikel 10 (8): Änderungen an der Auslegung […] werden zeitgerecht angemessen berücksichtigt.“
  • MDR Anhang VI, Teil C, 6.5.2  / IVDR Anhang VI, Teil C, 6.2.2 (Software): „Eine neue UDI-DI ist immer dann erforderlich, wenn Folgendes geändert wird: die ursprüngliche Leistung; die Sicherheit oder die bestimmungsgemäße Verwendung der Software; die Auswertung der Daten. Zu diesen Änderungen gehören neue oder geänderte Algorithmen, Datenbankstrukturen, Betriebsplattformen und Architekturen oder neue Schnittstellen oder neue Kanäle für die Interoperabilität.“
  • MDR Anhang IX, 4.10 / IVDR Anhang IX, 4.11: „Änderungen an dem genehmigten Produkt müssen von der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, genehmigt werden, wenn diese Änderungen die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts oder die für das Produkt vorgeschriebenen Anwendungsbedingungen beeinträchtigen könnten.“ 

3. Wesentliche Design Changes: Wann eine Änderung meldepflichtig gegenüber der Benannten Stelle ist

Jeglicher geplante Design Change muss gemäß ISO 13485, Kapitel 7.3 innerhalb des QM-Systems bewertet werden. Im Folgenden beschreiben wir, wann zusätzlich die Benannte Stelle mit einbezogen werden muss.

3.1 Guidance Document des TEAM NB

Die Vereinigung der Benannten Stellen (Team NB) hat mit der NB-MED/2.5.2/Rec2 eine Empfehlung publiziert, die etwas mehr Klarheit zur Kommunikation von Design Changes an die jeweilige Benannte Stelle schaffen soll.

Darin beschreiben die Autoren, wann eine Design-Änderung als wesentlich („substantial/significant“) zu bewerten und damit meldepflichtig gegenüber der Benannten Stelle ist. Das wäre jede Änderung am Produkt, die die Konformität mit den grundlegenden Anforderungen oder den vom Hersteller festgelegten Anwendungsbereich bzw. Kontraindikationen beeinflussen könnte.

Konkret benennt das Dokument Änderungen

  • der Zweckbestimmung, Indikation, Kontraindikation
  • von Leistungsmerkmalen
  • eines Zulieferers(!)
  • aufgrund Risiken, die noch nicht betrachtet wurden
  • von Warnungen
  • der vorgesehenen Nutzergruppen
  • der vorgesehenen Nutzung
  • von Charakteristiken, die durch die klinische Bewertung noch nicht berücksichtigt sind
  • als Folge von Überlegungen, die aus der Marktbeobachtung stammen inklusive aus Zwischenfällen, Rückrufen oder Beschwerden
  • getrieben durch State-of-the-Art Entwicklung (z. B. neuste Technologien)
  • die die Produktion beeinflussen
  • die die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts betreffen

Das Ziel der Meldepflicht dabei ist es, der Benannten Stelle die Möglichkeit zu geben, die Konformität des Produkts nach einer Änderung des Designs zu prüfen. Benannte Stellen können aufgrund einer gemeldeten Produktänderung entscheiden, ob sie eine erneute ad-hoc Prüfung der Konformität durchführen oder die Änderung im nächsten planmäßigen Audit mit betrachten.

Das Team NB Dokument stellt an dieser Stelle nur eine allgemeingültige Interpretation von substantiellen/signifikanten Änderungen dar. Da das Dokument noch unter der MDD/IVDD erstellt wurde, stellt es unter der MDR/IVDR lediglich eine Hilfestellung dar. Rechtlich bindend ist ohnehin nur der Vertrag zwischen dem Medizinproduktehersteller und seiner Benannten Stelle, in dem die Meldekriterien und -bedingungen explizit und individuell definiert sind.

3.2 Scope des Zertifikats

Entscheidend ist zudem der Anwendungsbereich des Zertifikats: Falls Sie Ihr Produkt, das Sie über Anhang II der MDD bzw. über Anhang IX der MDR in den Verkehr bringen, so ändern, dass es nicht mehr in den Scope fällt, dürfen Sie das nicht, ohne die Benannte Stelle einzubeziehen.

Die Zertifikate erlauben Ihnen als Hersteller gerade, Produkte innerhalb des Zertifikats zu entwickeln und in den Verkehr zu bringen, ohne die Benannte Stelle um Erlaubnis zu fragen. Allerdings verlangen die Benannten Stellen häufig, informiert zu werden.

4. Signifikante Design Changes (Artikel 120 MDR / 110 IVDR, MDCG 2020-3)

4.1 MDR / IVDR

Von den bisher beschriebenen Meldepflichten für Design Changes gegenüber den Benannten Stellen muss ein weiteres Konzept komplett losgelöst betrachtet werden.

Signifikante Änderungen im Zusammenhang mit der Übergangsfrist von den Europäischen Richtlinien (MDD/IVDD) zu den Verordnungen (MDR/IVDR) unterliegen anderen regulatorischen Implikationen. Hier geht es um die Fragestellung, ob die bisherige Konformitätserklärung bei einer Änderung am Produkt gültig bleibt.

Im Kontext der Übergangsregelungen spielen die Design-Änderungen in den Verordnungen an folgenden Stellen eine Rolle:

MDR

By way of derogation from Article 5 of this Regulation, a device with a certificate that was issued in accordance with Directive 90/385/EEC or Directive 93/42/EEC and which is valid by virtue of paragraph 2 of this Article may only be placed on the market or put into service provided that from the date of application of this Regulation it continues to comply with either of those Directives, and provided there are no significant changes in the design and intended purpose. 

MDR, Artikel 120(3)

IVDR

By way of derogation from Article 5 of this Regulation, the devices referred to in the second and third subparagraphs of this paragraph may be placed on the market or put into service until the dates set out in those subparagraphs, provided that, from the date of application of this Regulation, those devices continue to comply with Directive 98/79/EC, and provided that there are no significant changes in the design and intended purpose of those devices.

IVDR, Artikel 110(3)

Als Hilfestellung zur Bewertung der Änderungen am Produkt hat die MDCG zwei Leitlinien veröffentlicht. Hierin werden Kriterien genannt, unter denen die Änderungen als signifikant zu sehen ist und die Konformitätserklärung somit ihre Gültigkeit verliert.

4.2 MDCG 2020-3

Im März 2020 hat die MDCG die „MDCG 2020-3“ mit dem Titel „Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 120 of the MDR with regard to devices covered by certificates according to MDD or AIMDD“ veröffentlicht. Diese Ausgabe wurde später überarbeitet, dabei um hilfreiche Beispiele ergänzt und im Mai 2023 als “MDCG 2020-3 Rev.1“ herausgegeben. 

4.2.1 Nicht-signifikante Änderungen

Die MDCG stellt fest, was sie nicht als signifikante Design Changes versteht:

  • Administrative Änderungen
    • Name und Adresse des Herstellers
    • Rechtsform z. B. von GmbH nach GmbH & Co. KG
    • Bevollmächtigter
  • Organisatorische Änderungen
    • Neue Fertigungsstätten, Umzug von Fertigungsstätten
    • Neue oder geänderte Lieferanten und Dienstleister
    • Im gewissen Umfang auch Änderungen am QM-System
  • Einschränkung der Zweckbestimmung
    • Beschränkung von Indikationen, klinischen Anwendungen oder der Patientenpopulation
  • Korrekturmaßnahmen
  • Nicht-signifikante Änderungen am Produkt, die sich nicht nachteilig auf die Leistung des Produkts auswirken, darunter Änderungen, die produktinterne Kontrollmechanismen, das Funktionsprinzip, die Energieversorgung oder ggf. Alarmsysteme nicht ändern

Für nicht-signifikante Änderungen, die explizit das Nutzen-/Risikoverhältnis nicht negativ beeinflussen gibt die Leitlinie folgende Beispiele:

Spezifikation/Kennzeichnung
  • Änderungen, die den zertifizierten Bereich von Spezifikationen enger fassen, wie die Schraubenlänge innerhalb der bisherigen Länge oder Durchmesser
  • Änderung des Griffs eines steuerbaren Ablationskatheters, um den ergonomischen Komfort für das medizinische Personal oder das ästhetische Erscheinungsbild eines Geräts zu verbessern
  • Umformatierung einer bestehenden Bedienungsanleitung
  • Änderung des Label- oder des Verpackungsmaterials eines nicht-sterilen Produkts
Komponenten
  • Austausch eines Halbleiterbauelements/einer elektronischen Komponente/einer elektronischen Baugruppe mit denselben Spezifikationen
  • Aufbringen einer Beschichtung auf eine berührungslose Leiterplatte zur Verbesserung der Stromisolierung
  • Änderung der Größe oder der geometrischen Form der Bedienungs-/Alarmtasten
Energieversorgung
  • Wechsel eines Batterietyps
  • Wechsel der Batteriechemie
  • Wechsel des Ladegeräts oder des Netzkabels bei gleicher Spezifikation
Materialien
  • Neuer oder zusätzlicher Lieferant/Hersteller eines Materials im Rahmen der festgelegten Spezifikationen
  • Substitution eines chemischen Stoffes, um anderen geltenden Gesetzen und Verordnungen zu entsprechen, z. B. der REACH-Verordnung
  • Ersetzen eines Stoffes oder Materials, die das Nutzen/Risiko Verhältnis nicht negativ beeinflussen, wie
    • Verbesserung der Materialqualität ohne Änderung der Spezifikationen
    • Ersetzen eines Materials der Verpackung eines sterilen Produkts, das nicht zur Aufrechterhaltung der Sterilbarriere beiträgt
    • Änderung eines Materials, das lediglich als Verarbeitungshilfsmittel und somit als Herstellungs- und nicht als Konstruktionsänderung gilt
Sterilität
  • Änderung der Parameter des Sterilisationszyklus, unter der Voraussetzung, dass es keine Auswirkungen auf das Sterilitätssicherungsniveau oder die Sterilisationsrückstände gibt
  • Verlängerung der Haltbarkeitsdauer, validiert durch von der benannten Stelle genehmigte Verfahren
  • Umstellung von einfach steriler auf doppelt sterile Verpackung

Laut MDCG 2020-3 können sich Hersteller von den Benannten Stellen bestätigen lassen, dass eine Designänderung nicht signifikant ist. Das stellt aber kein ergänzendes Zertifikat dar.

4.2.2 Signifikante Änderungen

Die MDCG definiert folgende Änderungen als „signifikant“:

  • Erweiterung und Änderungen der Zweckbestimmung z. B. neue Indikationen, neue Patientenpopulation, andere klinische Anwendung
  • UI-Änderungen, die weitere Usability-Daten bedürfen
  • Änderungen der Leistungsspezifikation
    • Änderung der Produktabmessungen oder Konstruktionsmerkmale außerhalb der aktuellen Spezifikationen, wie neue Stentlängen, die außerhalb des Bereichs der zuvor zertifizierten Stentlängen liegen oder Hinzufügen von Elektrodenan einem implantierbaren Herzschrittmacherkabel
    • Ausweitung der Spezifikationsgrenzen für kritische Komponenten oder Parameter
    • Einsatz neuer Sensoren mit unterschiedlichem Funktionsprinzip, wie ein Luftblasendetektor mit Ultraschall im Vergleich zu einem optischen Lichtsensor
  • Designänderungen, die entweder Risiken erhöhen oder bestehende risikominimierende Maßnahmen betreffen
    • Entfernen oder Hinzufügen eines Alarmsystems oder Handhabung einer Alarmsituation
    • Umstellung von analoger auf digitale Steuerung
    • Wechsel von einem manuellen zu einem softwaregesteuerten Gerät
  • Austausch oder Änderungen von Materialien, es sei denn sie stammen von bestehenden Lieferanten und finden innerhalb unveränderter Spezifikationen statt.
    • Wechsel von einem Material mit einem geringen toxikologischen oder biologischen Risiko zu einem Material mit einem höheren Risiko
    • Hinzufügung oder Veränderung eines Materials menschlichen/tierischen Ursprungs
  • Änderungen am Sterilisationsprozess oder an der Verpackung, die einen Einfluss auf die Sterilität haben können
    • Änderung der abschließenden Sterilisationsmethode
    • Wechsel eines Produkts von der Kennzeichnung „unsteril“ zur Kennzeichnung „steril
    • Verlängerung der Haltbarkeitsdauer, die nicht anhand von durch die benannte Stelle genehmigten Protokollen validiert ist
  • Viele Software-Änderungen

Die MDCG beschreibt die Änderungen in Form von Flussdiagrammen. Die Infografik des Johner Instituts fasst diese Diagramme auf einer Seite zusammen und ergänzt sie um Beispiele.

Abb. 1: Ausschnitt aus der Infografik, die die Vorgaben der MDCG zusammenfasst

Sie können diese Infografik kostenlos herunterladen:

4.2.3 Kritik

Das MDCG-Dokument ist hilfreich. Durch die Überarbeitung wurden formale Mängel behoben und außerdem viele Beispiele ergänzt, welche den inhaltlichen Nutzen der Leitlinie verbessert haben.

Einige Fragen lässt das jedoch offen. Besonders zu den folgenden Fragen hätte man sich eine Antwort gewünscht:

  • Will man wirklich alle Korrekturmaßnahmen (wohlgemerkt Korrekturmaßnahmen, nicht Korrekturen) auch dann durchwinken, wenn damit nennenswerte Änderungen am Design einhergehen? Die Reihenfolge des Flussdiagramms lässt genau das vermuten.
  • Weshalb will man Korrekturmaßnahmen durchwinken, Korrekturen aber nicht? Bei der Software deklariert man Bugfixes nicht als „signifikant“.
  • Soll jede Änderung an einer „database structure“ als signifikant eingestuft werden? Jede neue Spalte in einer Datenbank?

4.3 MDCG 2022-6

Nach der Leitlinie MDCG 2020-3 für Medizinprodukte unter MDR wurde für In-vitro-Diagnostika im Mai 2022 die Leitlinie MDCG 2020-6 unter dem Titel “Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 110(3) of the IVDR” von der MDCG herausgegeben. Sie konkretisiert welche Änderungen eines Produkts, das den Übergangsfristen der IVDR unterliegt, als signifikant einzuordnen sind und baut dabei auf den Festlegungen der Leitlinie MDCG 2020-3 auf.

Somit gelten die generellen Angaben sowohl für nicht-signifikante Änderungen, wie administrative oder organisatorische Änderungen, als auch für signifikante Änderungen, wie Erweiterungen der Zweckbestimmung oder Änderungen in der Leistungsspezifikation, auch für die Betrachtung von IVDs. Darüber hinaus grenzt die MDCG in der Leitlinie MDCG 2022-6 jedoch konkreter und anhand von Beispielen signifikante von nicht-signifikanten Änderungen nach Art der Änderung voneinander ab:

4.3.1 Änderung der Zweckbestimmung

Nicht-signifikant

  • Einschränkung der Zweckbestimmung, wie durch Beschränkung der Patientengruppe

Signifikant

  • Jegliche Erweiterung der Zweckbestimmung
  • Änderung der Zweckbestimmung, wie eine Änderung des Assay-Typs von einem qualitativen zu einem quantitativen Assay oder einer Änderung des Probentyps

4.3.2 Designänderungen

Nicht-signifikant

  • Designänderungen, die das Funktionsprinzip des Produkts nicht verändern, also die Testmethode oder das Nachweisverfahrens, darunter fällt beispielsweise eine Veränderung eines Probenaufreinigungsschritts oder der Austausch eines PCR-Cyclers

Signifikant

  • Designänderungen, bei der das Funktionsprinzip des Produkts verändert werden, wie der Wechsel der Testmethode von Immunfluoreszenz zu ELISA oder von einer photometrischen zu einer chromatographischen Messung
  • Jegliche Änderung, sich nachteilig auf die Leistung des Produkts auswirkt. Das heißt alle beschriebenen nicht-signifikanten Änderungen müssen darauf hin überprüft werden, ob sie sich nachteilig auf die Leistung auswirken und werden dadurch ggf. zu einer signifikanten Änderung

4.3.3 Änderungen, die Software betreffen

Nicht-signifikant

  • Bugfixes (auch hier muss die Auswirkung auf Sicherheit und Leistung überprüft werden)
  • Updates bestehender Laufzeitumgebungen, wie Windows
  • Verbesserungen der Benutzerschnittstelle

Signifikant

  • Änderungen in der Laufzeitumgebung, wie einem Wechsel des Betriebssystems
  • Modifizierungen der Software-Architektur oder des Algorithmus‘

4.3.4 Materialänderungen sowie Modifikationen des Sterilisationsverfahren

Nicht-signifikant

  • Änderungen in Bezug auf Materialien, die nicht maßgeblich für das Funktionsprinzip sind, wie Ersetzen eines Konservierungsmittels oder Austausch von Chemikalien zur Konformität mit der REACH Verordnung (falls keine Beeinträchtigung der Leistung besteht)
  • Abänderung der Parameter des Sterilisationszyklus im Rahmen eines zertifizierten QMS

Signifikant

  • Änderungen in Bezug auf Inhaltsstoffe und Materialien, die für das Funktionsprinzip wesentlich sind, wie PCR Primer, Antikörper oder Antigene bei Immunoassays oder Marker bei der ChromatographieÄnderung der Sterilisationsmethode, was insbesondere beinhaltet ein nicht-steriles Produkt in ein steriles abzuändern
  • Verpackungsänderungen, die sich negativ auf die Gewährleistung der Sterilität auswirken können

4.4 Sonderfall Software 

Dieses Kapitel fasst die gesetzlichen Anforderungen und Leitlinien für Software zusammen und geht im Wesentlichen mit den Beispielen von MDCG 2020-3 und MDCG 2022-6 einher.

4.4.1 Signifikante Software-Änderungen

Eine Design-Änderung wäre bei Software wahrscheinlich dann signifikant, wenn eine der folgenden Bedingungen vorliegt:

  • Es gibt eine Änderung an der Zweckbestimmung einschließlich
    • vorgesehene Nutzungsumgebung
    • vorgesehenen Nutzergruppen
    • neue oder andere Indikationen
    • weniger Kontraindikationen (also eine Erweiterung der Zweckbestimmung)
  • Sie beseitigen einen Fehler in der Software oder der zugehörigen Gebrauchsanweisung, um Risiken zu minimieren (> Rückruf)
  • Sie ändern die Benutzer-Produkt-Schnittstelle (unwesentliche Änderungen wie Korrektur von Rechtschreibfehlern ausgenommen). Das trifft insbesondere dann zu, wenn Sie
    • Warnmeldungen hinzufügen, ändern oder entfernen.
    • Neue sicherheitsbezogene Use Scenarios einfügen
    • kritische UI-Elemente (ehemals Hauptbedienfunktionen) ändern
  • Sie verwenden eine neue Technologie z. B. ein neues Framework, neue SOUPs (gemeint ist nicht eine neue Version), oder gar eine andere Programmiersprache
  • Die Software soll für in einer anderen Laufzeitumgebung (Betriebssystem oder Version, Prozessor, Bildschirmgröße-/auflösung) eingesetzt werden.
  • Die Software muss eine neue Datenschnittstelle bedienen.
  • Die Entwickler fügen in der Datenbank neue Tabellen oder Fremdbeziehungen ein.
  • Die Entwickler ändern einen zentralen Algorithmus oder ersetzen Nutzereingaben durch einen Algorithmus der als Regelkreis dient z. B. zur Berechnung von Medikamentendosen, zur Bestrahlungsplanung oder für die Bildbearbeitung.
  • Das betrifft insbesondere den Austausch von konventionellen Algorithmen durch KI-Algorithmen bzw. den Austausch eines KI-Modells (z. B. neuronales Netzwerk durch ein Boosting-Verfahren).

4.4.2 Nicht-signifikante Software-Änderungen

Üblicherweise zählt man die folgenden Änderungen an einer Software nicht als meldepflichtig:

  • Security-Patches und Updates bestehender Laufzeitumgebungen, wie Windows Updates
  • Update einer SOUP durch neuere Version
  • Kleine Refactorings z. B. innerhalb einer Methode
  • Hinzufügen eines Attributs zu einer Datenbank oder Änderung des Datentyps eines Attributs
  • Anpassung der Software, um mit neuen Versionen einer bestehenden Schnittstellenspezifikation arbeiten zu können (z. B. Update von HL7 V2.7 auf 2.8)
  • Kleine Maßnahmen zur Verbesserung nicht-funktionaler Eigenschaften wie der Robustheit (z. B. zusätzliche Werteüberprüfung)

5. Fazit und Zusammenfassung

5.1 Es ist verwirrend, was mit Design-Changes gemeint ist

Für viele Hersteller ist es sehr verwirrend, dass es im Grunde drei Betrachtungsebenen bei Produktänderungen gibt, die in diesem Artikel beschrieben werden:

  1. Design Changes als solches, mit den entsprechenden Prozess- und Dokumentationspflichten
  2. Die Entscheidung, welche der Änderungen an die Benannte Stelle kommuniziert werden müssen
  3. Für den Fall, dass noch eine gültige Konformitätserklärung gegen die Richtlinien MDD/IVDD besteht: Die Entscheidung, ab wann die Konformitätserklärung durch eine Produktänderung erlischt.

Unglücklicherweise verwendet man für die beiden letzten Änderungskriterien gleichzeitig die Bezeichnung “significant change” bzw. “substantial change”.

Die Unterscheidung der MDR und IVDR zwischen Software-Änderungen, die eine Änderung der UDI-DI bedingen, und denen die „nur“ eine Änderung der UDI-PI zur Folge haben, mag bei der Unterscheidung zwischen meldepflichtigen und nicht-meldepflichtigen Änderungen dienlich sein: Eine Änderung der UDI-PI ist üblicherweise nicht meldepflichtig.

5.2 Es gibt Unterstützung

Das Johner Institut empfiehlt im Zweifelsfall, mit der Benannten Stelle eine klare Absprache zu treffen.

Die MDCG bietet mit ihren Dokumenten 2020-3 und 2022-6 eine gute Hilfestellung, um zwischen signifikanten und nicht-signifikanten Design Changes im Zusammenhang mit der Gültigkeit der Konformitätserklärungen beim Übergang zu den Verordnungen zu unterscheiden.

Mit der überarbeiteten 2020-3 für Medizinprodukte unter MDR und mit der 2022-6 für IVDs sind ausgereifte Leitlinien vorhanden, die konkrete Beispiele an Änderungen beinhaltet.

Im eingeschränkten Umfang steht Herstellern, Behörden und Benannten Stellen das kostenlose Micro-Consulting für solche Einschätzungen zur Verfügung.


Änderungshistorie

  • 2025-02-25: Überschriftenebenen korrigiert, Bedeutung der MDCG 2020-3 im Text gestärkt. Text mit Zwischenüberschriften besser gegliedert, Überschriften neu nummeriert
  • 2023-08-15: Vollständige Überarbeitung des Artikels
  • 2022-06-23: Im letzten Hinweis auch die Produkte der Klasse I* ergänzt.
  • 2022-01-02: Poster um Hinweis ergänzt, dass es sich „nur“ auf Produkte der Klasse IIa und höher bezieht, die unter einem MDD-Zertifikat in den Verkehr gebracht werden.
  • 2021-07-19: In Poster letzte Entscheidung korrigiert (enthielt eine Verneinung zu viel)
  • 2021-06-06: In Poster Entscheidung bei „Materialien von neuem Lieferanten innerhalb der Spezifikation“ korrigiert (Danke an O. Tan für Hinweis!)
  • 2021-03-27: In Poster Hinweis auf „Competent Authority“ ergänzt
  • 2021-01-20: Unterkapitel zu TEAM-NB Dokument zu „drug device combination products“ ergänzt
  • 2020-01-26: Hinweis direkt über Kapitel 5 ergänzt



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