Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist die Frage noch wichtiger geworden: Wie abhängig sollte Deutschland von autokratischen Staaten und ihren Unternehmen sein – insbesondere, wenn es um kritische Infrastrukturen wie das Mobilfunknetz geht? Soll Technologie des chinesischen Unternehmens Huawei in das deutsche 5G-Netz integriert werden?

Ja, das hat die Bundesregierung Mitte Juli 2024 nach mehrjähriger Debatte beschlossen. Bis 2026 sollen „kritische Komponenten“ der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE aus dem Kernnetz, den zentralen 5G-Rechenzentren, entfernt werden – und bis 2029 auch aus dem Managementsystem der Zugangs- und Transportnetze, etwa Funkmasten. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein absolutes Verbot und somit um einen Lobbyerfolg für Huawei und die deutschen Netzbetreiber. Denn auf Funkmasten sind weiterhin 5G-Antennen von Huawei erlaubt.

Seit 2019 finden Treffen zwischen Regierungsvertretern, Huawei und den deutschen Telekommunikationsunternehmen hinter verschlossenen Türen statt. ZDF Die Spur hat dazu in den letzten Monaten recherchiert. Wir haben die Journalisten bei ihren Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu den Treffen unterstützt und die Ergebnisse gemeinsam mit LobbyControl analysiert – und veröffentlichen die Dokumente nun vollständig.

Sicherheitsrisiko für die Europäische Union

Im Jahr 2020 hat Schweden aufgrund von Sicherheitsbedenken alle Huawei- und ZTE-Komponenten aus seinem 5G-Mobilfunknetz ausgeschlossen. Auch die EU-Kommission beschloss im Juni 2023, die Dienste der beiden chinesischen Unternehmen nicht mehr in Anspruch zu nehmen und stufte sie als Sicherheitsrisiko für die EU ein. Die Entscheidung der Ampel-Regierung hat allerdings lange gedauert – und das hat unter anderem mit Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing zu tun.

Wissing plädierte vehement für Huawei und wollte einen „technologie- und herstellerneutralen Ansatz“. Seine Begründung: Ein bezahlbarer und schneller Netzausbau sei nur mit chinesischen Komponenten möglich. Damit steht er auf einer Linie mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG, Timotheus Höttges.

Zusagen vor Abschluss des Überprüfungsprozesses

Wir haben vom Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr (BMDV) Unterlagen zu Treffen mit Vertretern von Huawei und deutschen Netzbetreibern angefordert. Das BMDV schickte uns Unterlagen, diese waren jedoch fast vollständig geschwärzt.

Dennoch findet sich in den wenigen ungeschwärzten Textstellen ein interessanter Satz: „Ein genereller Ausschluss eines Herstellers von Netzwerkkomponenten vom Aufbau der 5G-Infrastruktur ist nicht vorgesehen.“ So heißt es unter „Aktueller Stand“ in vorbereitenden Dokumenten für ein Treffen zwischen BDMV-Staatssekretär Stefan Schnorr und Michael Yang, Generalbevollmächtigter von Huawei Deutschland, am 29. März 2022.

Derselbe Satz findet sich auch in vorbereitenden Unterlagen für ein Treffen zwischen Minister Wissing und Telekom-Vorstand Timotheus Höttges am 26. Oktober 2022.

Vorbereitende Unterlagen des Verkehrsministeriums

Vorbereitende Unterlagen des Verkehrsministeriums

Bei diesem Treffen zwischen Minister Wissing und Telekom-Vorstand Timotheus Höttges am 26. Oktober 2022 war die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung noch nicht abgeschlossen.

Diese Aussage aus Wissings Ministerium, dass ein genereller Ausschluss nicht geplant sei, ist sehr gewagt. Zu diesem Zeitpunkt war die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung noch nicht abgeschlossen. Seit September 2021 sieht § 9b des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz) vor, dass das Bundesinnenministerium die Hersteller von Komponenten, die Teil kritischer Infrastrukturen sind – einschließlich Huawei – überprüft.

Wir haben das BMDV um eine Stellungnahme gebeten. Nach Veröffentlichung des Textes antwortete ein Sprecher des BMDV, dass „vorsehen“ nicht die Absichten oder Pläne der Bundesregierung beschreibe, sondern die Rechtsnorm.

Negativer Preis für den BMDV

Der Journalistenverband Network Research verlieh Volker Wissing und dem BMDV in diesem Jahr den Negativpreis „Closed Oyster“ für den Informationsblocker des Jahres.

Ein intransparenter Test

Der Paragraf im BSI-Gesetz geht auf die Große Koalition unter Angela Merkel zurück. Sie entschied sich gegen ein generelles Verbot und führte diesen Paragraphen als Kompromiss ein. Geprüft wird, ob Hersteller vertrauenswürdig sind, an Aktivitäten beteiligt waren oder sind, die die öffentliche Sicherheit in Deutschland gefährden oder von einer Regierung kontrolliert werden.

China ist keine Demokratie. Obwohl Huawei kein staatliches Unternehmen ist, wird es „auf verschiedenen Ebenen“ von der Kommunistischen Partei kontrolliert, die China regiert. Damit könne man „rechtlich und faktisch“ auf Management und Unternehmenspolitik Einfluss nehmen, wie die Bundesregierung schreibt.

Transparenz, jetzt!

Im Juni 2024 gab das Bundesinnenministerium bekannt, dass Verträge mit deutschen Mobilfunkbetreibern geschlossen werden und das Prüfverfahren damit abgeschlossen sei. Es bleibt jedoch unklar, ob und welche Sicherheitslücken gefunden wurden.

Wir haben bereits Unterlagen zur Prüfung im Jahr 2023 beantragt. Unser Antrag wurde jedoch abgelehnt, da sich das Verkehrsministerium und das Auswärtige Amt zu diesem Zeitpunkt noch in Verhandlungen befanden. Der Test ist nun jedoch abgeschlossen. Deshalb haben wir noch einmal nachgefragt und fordern die Veröffentlichung des Testberichts.

→ zum ZDF-Film Die Spur
→ zur aktuellen Anfrage zum Prüfungsbericht an das Bundesministerium des Innern
→ zum LobbyControl-Bericht

Die Verzögerungstaktik spiegelt sich in den IFG-Anfragen wider. Der Journalist Jeremias Brunner stellte per E-Mail und Telefon beharrlich Fragen. Viele Ministerien sicherten ihm eine baldige Reaktion zu, doch diese kam nie – einige reagierten überhaupt nicht.

Hier finden Sie eine Übersicht über die von uns gestellten Anfragen:

Bundeswirtschaftsministerium: Lässt uns warten.
Bundeskanzleramt: Lässt uns warten.
Auswärtiges Amt: Lässt uns warten.
Bundesinnenministerium: Antrag abgelehnt.

Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr: Beantwortet, aber mit mehr Schwärzungen als Text.
Bundesfinanzministerium: Beantwortet, aber mit mehr Schwärzungen als Text.

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