Ist ein Rechtsschutz überhaupt notwendig? Die Frage wurde gelöst. Die antidemokratische Rechte hat die Oberhand. Bei den Prognosen für die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg liegt die AfD klar auf dem ersten Platz. Correctivs Recherchen zum rechtsextremen „Remigrations“-Gipfel in Potsdam, Angriffe gegen Wahlkämpfer der Grünen und der SPD in Dresden, rechte Anschlags- und Putschpläne, Spionagevorwürfe gegen AfD-Mitarbeiter und der Verdacht auf Finanzzahlungen durch russische Propaganda Auch Medien trugen dazu bei, dass zumindest ein AfD-Abgeordneter daran nichts änderte. Doch die Zivilgesellschaft kämpft sich aus ihrer Ohnmacht heraus. Ein Durchbruch autoritärer und reaktionärer Parteien ist nicht vorhersehbar. Die rechte Welle kann gebrochen werden.

Revue

Im vergangenen Jahr erreichten uns mehr als 80 Anfragen von Menschen, die durch Warnungen oder Drohungen unter Druck gesetzt wurden. Aus diesen Anfragen resultierten 15 Verfahren, die wir umfassend unterstützen konnten. Auch in vielen anderen Fällen haben wir geholfen. Teilweise haben wir Menschen auch an andere Organisationen verwiesen, die für das jeweilige Anliegen besser geeignet waren.

Unsere Bemühungen vor Gericht haben sich gelohnt: Wir haben insgesamt acht positive Gerichtsentscheidungen (teilweise in mehreren Instanzen) gewonnen und nur in einem Fall verloren, wo wir Berufung eingelegt haben und die Entscheidung des Oberlandesgerichts noch aussteht. In acht der fünfzehn Fälle verfolgte die Gegenpartei ihre (vermeintlichen) Unterlassungsansprüche nicht mehr, nachdem wir die Ansprüche in einem Anwaltsschreiben abgelehnt hatten.

Es gab eine vielfältige Gruppe von Menschen, die uns kontaktiert haben: Menschen aus der lokalen Politik, Wissenschaft und dem Journalismus bis hin zu Schülern, Studenten und Aktivisten. Auf der Gegenseite standen unter anderem die AfD, Akteure der Neuen Rechten, aber auch Unternehmen und Einzelpersonen, denen eine Nähe zu oder Duldung rechter Umtriebe vorgeworfen wurde. Bei den gegnerischen Kanzleien handelte es sich in erster Linie um bundesweit tätige und renommierte Anwaltskanzleien, etwa um die Kölner Kanzlei Höcker, die auch für die Bundes-AfD im viel beachteten Gerichtsverfahren um die Einstufung als Verdachtsfall vor dem Oberverwaltungsgericht mandatiert wurde Münster.

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Gerichte überwiegend stabil

Bei den als rechtswidrig abgemahnten Äußerungen handelte es sich um grundsätzlich zulässige Meinungsäußerungen bzw. berechtigte Kritik. Wer sich aus dem rechten Spektrum öffentlich mit kruden Thesen positioniert, eröffnet auch anderen die Möglichkeit, diese Positionierung zu bewerten und muss dies in der Regel auch akzeptieren. Dies haben verschiedene Gerichte im vergangenen Jahr in den von uns begleiteten Verfahren immer wieder deutlich gemacht.

Wenn beispielsweise ein Hauptsponsor des örtlichen Sportvereins mit seinem Dienstwagen an einer rechtsextremen Demonstration teilnimmt, ist der Schluss zulässig, dass er offen mit Reichsbürgern und Rechtsextremisten sympathisiert und mit ihnen kooperiert weisen den Vorstand des Sportverbandes per E-Mail darauf hin.

Ebenso ist es dem Vater einer Tochter nicht verwehrt, die anderen Eltern der Klasse darauf hinzuweisen, dass laut Presseberichten der Betreiber eines Feriendorfes, in das die Klasse gehen sollte, Positionen vertritt, die mit der Freizügigkeit unvereinbar sind. demokratische Grundordnung und der Bildungsauftrag der Schule vereinbar sind und er von der Polizei als Gefährder eingestuft wird. Das Landgericht und das Oberlandesgericht Dresden haben entschieden, dass auch diese Aussage zulässig ist. Als Privatperson könnte sich der Betroffene insbesondere auf einschlägige Presseberichte verlassen. Der Betreiber des Feriendorfes wehrt sich derzeit vor dem Bundesgerichtshof gegen die Entscheidungen.

In einem anderen Fall unterstützten wir ein Mitglied des Dortmunder Stadtrats, das aufgrund seiner Äußerungen in einer Stadtratssitzung abgemahnt wurde. Dabei stellten zwei Gerichte klar, dass Äußerungen von Stadtratsmitgliedern in Ausübung ihres Mandats besonders privilegiert seien. Zum Schutz der Mandatsfreiheit gelten dort – ebenso wie bei Abgeordneten – besonders hohe Anforderungen, um eine Äußerung verbieten zu können. Auch potenziell irreführende Angaben sind grundsätzlich zulässig.

Der Einschüchterungseffekt

Ebenso interessant wie die Gerichtsentscheidungen sind die vielen Fälle, in denen sich die Gegenseite nach einer gerichtlichen Antwort von uns dazu entschied, ihre angeblichen Ansprüche nicht gerichtlich durchzusetzen. Der Ansatz legt nahe, dass die Abmahnenden bzw. deren Anwälte wussten, dass die Äußerungen, vor denen sie warnten, tatsächlich zulässig waren. Dennoch entscheiden sie sich für eine Abmahnung, oft garniert mit einer falschen Darstellung der möglichen Kosten und auch der Aufforderung, einen erheblichen Betrag an Abmahnungskosten an ihre eigenen Anwälte zu zahlen. Das Kalkül dahinter ist klar: Man kann es versuchen, im besten Fall für die Gegenseite löschen die Betroffenen aus Unsicherheit und Angst vor finanziellen Konsequenzen ihre Aussagen und unterschreiben Unterlassungserklärungen. Tun sie dies nicht und weisen die geltend gemachten Ansprüche zurück, haben die Abmahnenden nichts verloren (außer ihren eigenen Anwaltskosten, die für sie nicht besonders ins Gewicht fallen dürften) und werden die Sache einfach nicht weiter verfolgen.

Die gerichtlichen Streitwerte in den von uns unterstützten Verfahren lagen zwischen 10.000 und 60.000 Euro. Damit verbunden sind die Kosten, die im Verlustfall zu tragen sind. Bei den genannten Streitwerten liegen diese zwischen etwa 5.000 und 10.000 Euro. Es ist nicht verwunderlich, dass Menschen, die nicht über unbegrenzte finanzielle Ressourcen verfügen, nicht bereit sind, dieses Kostenrisiko alleine zu tragen.

Wir freuen uns, dass wir dieser Einschüchterungswirkung im vergangenen Jahr mit einem Gegenrechtsschutz entgegenwirken konnten.

Anzahl der Anfragen: 80
Umfassend unterstützte Verfahren: 15
Knickung der Gegenseite: 8
Anzahl positiver Gerichtsentscheidungen: 8
Anzahl negativer Gerichtsentscheidungen: 1

→ Alle Gerichtsentscheidungen

Ausblick

Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass der Rechtsschutz in seiner jetzigen Form möglicherweise nicht ausreicht.

Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen ist mit einem deutlich größeren Bedrohungspotenzial von rechts zu rechnen als bisher. In diesem Herbst könnte die AfD, eine autoritäre Partei, stärkste Kraft werden. Dann geht es um mehr als den öffentlichen Diskurs, den die Rechte kapern und diktieren will: den Rechtsstaat. Deshalb erweitern wir gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte und dem Verfassungsblog das Angebot an Rechtsschutzangeboten. Auch in Zukunft werden wir die Betroffenen unterstützen, auch wenn sie zum Ziel illegaler und diskriminierender staatlicher Maßnahmen werden.

Viktor Orbán in Ungarn und die Partei PiS in Polen haben gezeigt, was passiert, wenn rechtspopulistische Autoritäten in die Regierungsverantwortung geraten. Sobald sie an der Macht sind, können sie ihre Ziele systematisch durchsetzen und das Gesetz missbrauchen, um politische Dissidenten und Randgruppen zu schikanieren. Auch in Deutschland ist damit zu rechnen, dass autoritäre Populisten, die in Gemeinderäten, Landtagen oder der Verwaltung sitzen, vor illegalen Maßnahmen nicht zurückschrecken.

Einem Flüchtlingskind wird der Platz im Kindergarten verweigert. Behördenämter sind mit unqualifizierten, aber gleichgesinnten Parteimitgliedern besetzt. Kritische Demonstrationen sind verboten. Einem aktivistischen Jugendzentrum wird die Gemeinnützigkeit entzogen. Ein Landrat äußert sich diffamierend und menschenverachtend. All dies kann illegal sein.

Mit jedem Grenzübertritt wird der Rechtsstaat geschwächt und die Grenzen des „Normalen“ nach und nach verschoben. Es ist wichtig, dies zu untersuchen und sich damit auseinanderzusetzen. Deshalb erweitern wir den Rechtsschutz. Ab sofort erhalten auch betroffene Privatpersonen, Gruppen und Vereine Unterstützung bei rechtswidrigen und diskriminierenden staatlichen Handlungen. Unser Motto bleibt dasselbe: Wir beraten schnell, einfach und kostenlos – wir vermitteln Experten aus unserem Netzwerk für Rechtshilfe und Klagen.

Den neuen Rechtsschutz finden Sie jetzt hier.



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