Ein OEM, ein „Original Equipment Manufacturer“, ist eine Firma, die Produkte herstellt (entwickelt, produziert), aber nicht notwendigerweise unter eigenem Namen in Verkehr bringt. Man spricht auch auch vom White-Labeling der Produkte.
Dieser Artikel untersucht die regulatorischen Anforderungen und die Verantwortlichkeiten der OEM und der Firmen, die die Produkte unter eigenem Namen in Verkehr bringen. Letztere nennt man „Private Label Manufacturer“ (PLM).
Er gibt Herstellern wertvolle Hinweise, wie sie mit den gesetzlichen Änderungen umgehen und juristische Probleme vermeiden können.
Die MDR erlaubt die PLM-OEM-Konstrukte nicht mehr. Erfahren Sie, welche Optionen Sie haben.
1. OEM & PLM: Begriffsdefinitionen
Häufig bringen Firmen (Medizin-)Produkte unter eigenem Namen in den Verkehr, die sie nicht selbst hergestellt haben. Im Sinn des Medizinprodukterechts sind diese Firmen dennoch die Hersteller. Man bezeichnet sie auch als „Quasihersteller“ oder „Private Label Manufacturer“ (PLM). D.h. ein PLM ist eine Firma, die Produkte von einem OEM bezieht und sich bei der Zulassung auf die Zulassung des OEMs bezieht.
Beachten Sie, dass in diesem Artikel mit dem Akronym PLM immer der Private Label Manufacturer gemeint ist und nicht das Product Lifecycle Management.
Die Unternehmen, die die Produkte tatsächlich entwickeln, produzieren (und ggf. unter eigenem Namen zulassen), nennt man die „Original Equipment Manufacturer“ OEM (übersetzt “Originalhersteller”). So definiert das auch die ZLG:
„Unternehmen, das fertige Produkte für einen Privat Label Manufacturer produziert und in diesem Fall nicht als Hersteller im Sinne des Medizinprodukterechtes auftritt.“
Quelle ZLG
OEM bringen das Produkt nicht unter dem eigenen Label in den Markt. Daher gibt es zwei Möglichkeiten, um das Label anzubringen:
- Die OEMs überlassen das „Labeling“ den PLMs. D.h. sie bringen das Medizinprodukt als „White-Label“ in den Verkehr. Das illustriert die Abb. 1.
- Die OEMs bringen für den PLM oder für die PLMs bereits die jeweiligen Labels auf.
In der Automobil-Industrie wird der Begriff OEM genau anders verwendet: Hier sind die großen Automarken wie VW, Mercedes und BMW die OEMs, also diejenigen, welche die Produkte unter eigenem Namen in den Markt bringen.
1.1. Vorteile einer Zusammenarbeit von PLM und OEM
Quasihersteller (PLM) und Originalhersteller (OEM) können beide von einer Zusammenarbeit profitieren:
Vorteile für OEMs:
- Die Originalhersteller können sich auf ihre Kernkompetenz, die Entwicklung und Produktion beschränken.
- Sie müssen keine eigene Marke etablieren oder eine (weltweite) eigene Vertriebsorganisation aufbauen.
- Dadurch, dass die OEMs ihre Produkte an viele PLMs liefern, ergeben sich Skaleneffekte. Die Stückkosten sinken.
- Die OEMs müssen sich nicht um die Zulassung in den verschiedenen Märkten und die dortige Marktüberwachung kümmern. Somit besteht keine Notwendigkeit, entsprechendes regulatorisches und marktspezifisches Wissen zu etablieren.
Vorteile für PLMs
- Viele PLMs kaufen OEM-Produkte zu und können so ihr eigenes Portfolio abrunden.
- Es besteht für sie keine Notwendigkeit, eigenes Entwicklungs- und Produktions-Know-how aufzubauen.
- Falls sie über eine starke Marke verfügen, lassen sich die preisgünstig zugekauften Produkte unter der eigenen teuren Handelsmarke weiterverkaufen.
Bei den unter der MDD zulässigen OEM-PLM-Konstellationen erscheint nur der PLM und dessen CE-Kennzeichen auf dem Label. Der OEM ist nicht erkennbar.
1.2. Varianten von PLM-OEM-Konstellationen
1.2.1 Quasihersteller verkauft nur
Es gibt Quasihersteller, die ihr Geschäft ausschließlich auf zugekauften Produkten basieren.
Im Medizinproduktemarkt treten viele Importeure und EU-Repräsentanten als Quasihersteller (PLM) von außereuropäischen, insbesondere asiatischen Herstellern (OEM) auf.
1.2.2 Hersteller ist auch OEM
Umgekehrt gibt es Hersteller, die gleichzeitig als OEMs auftreten, in dem sie andere Hersteller mit ihren „umgebrandeten“ Produkten beliefern. Das kann beispielsweise in folgenden Situationen sinnvoll sein:
- Billigmarke für andere Märkte etablieren, die die eigene Hauptmarke nicht kannibalisiert.
- Überproduktionen, ältere Produktversionen oder Waren minderer Qualität abverkaufen, ohne die Hauptmarke zu schädigen
- Skaleneffekte in der Produktion nutzen
1.2.3 Andere Branchen
Solche Konstruktionen sind in anderen Branchen üblich. Beispielsweise stellt die BSH Hausgeräte GmbH als OEM Küchengeräte für Markenhersteller (PLMs) wie Bosch, Siemens und Gaggenau her. Im Discounter-Markt finden sich „White-Label-Versionen“ von Markenprodukten.
1.3. Abgrenzungen: Distributoren und Lieferanten
Eine PLM-OEM-Konstellation muss zum einen von einer Hersteller-Distributoren-Konstellation unterschieden werden. Bei letzterer verkauft der Distributor die Produkte des Herstellers unverändert unter der Handelsmarke des Herstellers weiter. Der Hersteller bleibt Hersteller im Sinne der Medizinprodukterichtlinie bzw. -Verordnung.
Zum anderen gilt es, OEMs und Lieferanten zu unterscheiden: Ein OEM fertigt das komplette Medizinprodukt, hält die vollständige technische Dokumentation vor und lässt das Produkt auch zu. Hingegen stellt ein Lieferant „nur“ Produkte, Komponenten oder ausgelagerte Prozesse zur Verfügung. Die technische Dokumentation erstellt der Hersteller. Im Gegensatz dazu macht ein PLM eine „Identitätsaussage“ und verweist auf die technische Dokumentation, die beim OEM liegt.
2. Regulatorischer Rahmen
2.1. Europa
2.1.1 Überblick / Allgemeines
Weder die Medizinprodukterichtlinie MDD noch die Medizinprodukteverordnung MDR kennen die Begriffe OEM und PLM.
Die EU Kommission schrieb bereits 2013 in Ihrer Empfehlung 2013/473/EU im Abschnitt „Allgemeine Empfehlungen für die Auslagerung der Produktion auf Unterauftragnehmer oder Lieferanten“ (letzte Seite):
„Die benannten Stellen werden darauf hingewiesen, dass die Hersteller: […]
b) ihrer Verpflichtung, die vollständige technische Dokumentation und/oder ein Qualitätssicherungssystem zur Verfügung zu haben, nicht dadurch nachkommen können, indem sie auf die technische Dokumentation eines Unterauftragnehmers oder Lieferanten und/oder deren Qualitätssicherungssystem verweisen;“
2.1.2 MDR / IVDR
Unter der MDR und IVDR gibt es keine OEM-PLM- oder White-Labeling-Konstrukte mehr. Die EU-Verordnungen erlauben nur die Rollen:
- Hersteller (ggf. mit Sitz im Ausland)
- Bevollmächtigte (für Hersteller mit Sitz im Ausland)
- Importeur (für Hersteller mit Sitz im Ausland)
- Händler
Konkret beschreiben die MDR und IVDR im jeweiligen Artikel 16 die Pflichten von Importeuren, Händlern und anderen Personen, die Produkte unter eigenem Namen bzw. eigener Marke bereitstellen. In diesem Fall gehen die Herstellerpflichten auf diese Akteure über. Es gibt aber Ausnahmen:
- Der (Original-)Hersteller steht auf der Kennzeichnung des Produkts und hat mit dem Importeur bzw. Händler eine Vereinbarung getroffen, dass er (der Hersteller) für die Einhaltung der Anforderungen verantwortlich bleibt.
- Der Importeur bzw. Händler stellt nur die Begleitinformationen (einschließlich Übersetzung) bereit, die im jeweiligen Mitgliedsland regulatorisch gefordert sind.
- Der Importeur bzw. Händler ändert die äußere Verpackung des Produkts, weil dies im jeweiligen Mitgliedsland regulatorisch gefordert ist.
Die MDR verlangt, dass der Hersteller vollen Zugriff auf die technische Dokumentation hat. Genau das versuchen aber viele OEMs zu verhindern. Damit können die meisten OEM-PLM-Konstrukte in dieser Form nicht weiterbestehen.
Auch ein vollständiges White-Labeling von Medizinprodukten ist nicht mehr möglich.
2.1.3 MHRA
Die britische Gesundheitsbehörde MHRA folgt in einem Guidance Document im Wesentlichen der eben genannten Empfehlung der EU. Sie gestattet aber, dass unter Umständen Informationen vom OEM zurückgehalten werden dürfen, wenn diese für die Bewertung von Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts nicht wesentlich sind. Damit erkennt die Behörde prinzipiell das Interesse der OEMs an, das geistige Eigentum zu schätzen. Die Grenzen sind aber sehr eng gesteckt.
2.1.4 MDD (mit MDR hinfällig)
Die Medizinprodukterichtlinie MDD verlangte bei Herstellern, die Produkte über ein QM-System gemäß Anhang II in Verkehr bringen, eine angemessene Beschreibung
„falls Auslegung, Herstellung und/oder Endkontrolle und Prüfung des Produkts oder von Produktbestandteilen durch einen Dritten erfolgt: Methoden zur Überwachung der wirksamen Anwendung des Qualitätssicherungssystems und insbesondere Art und Umfang der Kontrollen, denen dieser Dritte unterzogen wird;“
Darüber hinaus regelte die MDD diese Konstellationen nicht so umfangreich, weshalb die „Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten“ (ZLG) im EK-Med 3.9 B16 die Anforderungen an OEM-PLM-Konstellationen detailliert beschrieb.
2.1.5 ZLG (mit MDR hinfällig)
Dabei unterschied die ZLG folgende Fälle:
Konstellation | Anforderungen OEM | Anforderungen PLM |
OEM ist nicht als Hersteller im Sinne der Richtlinie tätig und verfügt nicht über eine Bescheinigung nach Richtlinie 93/42/EWG für das betreffende Produkt. |
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OEM ist für das betreffende Produkt auch selbst Hersteller im Sinne des Medizinprodukterechts und dementsprechend nach Richtlinie 93/42/EWG von einer Benannten Stelle zertifiziert.
Hersteller bedeutet in diesem Kontext nicht, dass der OEM das Produkt auch selbst verkauft, sondern „nur“, dass er über eine entsprechende Zertifizierung verfügt. |
Die Pflichten des OEMs hängen von der Klasse des Produkts ab und von der Existenz und dem Umfang des QM-Systems bzw. Richtlinienzertifikats beim OEM. | Für den Fall, dass der OEM über ein vollständiges QM-System nach Anhang II oder ein anderes Richtlinienzertifikat verfügt, gelten folgende Anforderungen an den PLM:
Eine (erneute) Auditierung des OEM durch die benannte Stelle ist nicht notwendig, da dessen QM-System bereits auditiert wurde. |
Keine OEM-PLM-Ketten: Die ZLG hatte sich in dem Dokument 3.9 B16 auch zu OEM-PLM Ketten geäußert. Kurz gesagt, waren sind verboten. D.h. der OEM musste das Produkt selbst herstellen und durfte es nicht wiederum von einem weiteren OEM beziehen, bzw. selber PLM sein.
Die ZLG schrieb dazu:
„Die in diesem Dokument beschriebenen Regelungen sind nicht anwendbar für den Fall, dass ein PLM die von ihm in den Verkehr gebrachten Medizinprodukte nicht von einem OEM, sondern von einem anderen PLM kauft (doppelte OEM-PLM-Konstellation).„
D.h. die OEM-PLM Ketten waren vertraglich auch auszuschließen. Darauf achteten die benannten Stellen.
2.2 USA
Auch die FDA verfolgt das Prinzip, dass es keine Lücke im Entwicklungs- und Produktionsprozess geben darf, die nicht den regulatorischen Anforderungen z.B. des 21 CFR part 820 genügt.
Zusätzlich fordert die FDA, dass folgende Beteiligte registriert werden müssen:
- Inverkehrbringer (Hersteller)
- Auftragsfertiger („Contract Manufacturer“)
- Hersteller von Zubehör
- Firmen, die Produkte „relabeln“ oder „repackagen“
- Firmen, die die Entwicklung verantworten („Specification Developer“)
- u.v.m.
Dies regelt v.a. der 21 CFR part 807. OEMs fallen beispielsweise unter „Specification Developer“ und „Contract Manufacturer“. Eine Übersicht über diese Rollen finden Sie auf den Seiten der FDA.
3. OEM-PLM-Konstrukt: Alternativen?
3.1 Variante 1: TÜV als Anbieter von Escrow-Services
Es hat sich nie durchgesetzt. Dennoch halten wir es in diesem Kontext für erwähnenswert: Ein TÜV plante angeblich die Gründung einer Firma, die die technischen Dokumentationen vorhält, damit der TÜV sie einsehen kann. Damit könnten auch unter der MDR die OEM-PLM Konstellation weiter bestehen.
Die Gültigkeit dieses Konstrukts war sehr fragwürdig, da die Forderung der MDR nicht erfüllt worden wäre, dass der Inverkehrbringer vollen Zugriff auf die Akte hat. Dies hält die Kommission aber für wichtig, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
3.2 Variante 2: Händler statt PLM
Die Motivation vieler Firmen, eine PLM-OEM-Beziehung einzugehen, bestand darin, dass der PLM die Produkte unter eigenem Namen verkaufen will. Daher bestand eine häufige Änderung (nur) darin, die Farbe, das Logo und die Anschrift zu ändern. Händler hingegen durften am Produkt überhaupt nichts ändern.
Genau an dieser Stelle ändert die MDR die Vorgaben: Die Änderung der Verpackung sowie der Begleitinformationen versteht die MDR nicht mehr als eine Produktänderung, die dazu führt, dass Konformität des Produkts neu nachgewiesen werden muss. (Artikel 16(2)).
Doch es gibt Pflichten:
- Der Händler muss identifizierbar sein
- Er benötigt ein Qualitätsmanagementsystem (Artikel 16(3)), das durch die benannte Stelle begutachtet sein muss. Derzeit ist noch unklar, ob dies eine Zertifizierung bedingt und ob die Begutachtung sich nur auf die entsprechenden Prozesse des „Re-Labelings“ bezieht oder auf alle Prozesse, die eine ISO 13485 vorschreibt. Ebenfalls bleibt unklar, ob diese Bewertung einmalig oder fortlaufend erfolgen muss.
- Der Händler muss die Behörde über die Inverkehrbringung informieren (Artikel 16(4)).
- Ebenso muss der Händler den Hersteller informieren, in welchem Land er das Produkt in Verkehr bringen wird. Der Hersteller muss damit nicht einverstanden sein, muss aber – da in Kenntnis – diese Länder in seine Post-Market Surveillance einschließen (Artikel 16(4)).
Es sind mehrere Varianten dieser neuen Beziehung zwischen Hersteller (ex OEM) und Händler (ex PLM) denkbar:
- Der Hersteller liefert die Produkte als „White Label“ aus, der Händler übernimmt das Labeling.
- Der Hersteller liefert die Produkte bereits in der Verpackung des Händlers aus.
Es ist sogar denkbar, dass der Hersteller „Bulk-Ware“ an Händler schickt, der dann erst die Verpackung macht.
Der Originalhersteller muss aber in jedem Fall als solcher erkennbar und auf dem Label (zusätzlich) genannt sein. Das ist ein Unterschied zu den bisherigen OEM-PLM-Konstrukten.
3.3 Variante 3: PLM wird Hersteller
Der (bisherige) OEM übergibt dem (bisherigen) PLM die vollständige Akte. Dies ist nicht nur die technische Dokumentation, sondern dies beinhaltet auch Aufzeichnungen aus dem QM-System sowie Informationen über Zulieferer und ausgelagerte Prozesse des „OEMs“.
Genau das versuchen die OEMs üblicherweise zu verhindern, da der „PLM“ (der neue Inverkehrbringer) über alle Informationen verfügen würde, um das Produkt bei einem anderen Produzenten fertigen zu lasen.
In dieser Variante müsste der bisherige OEM nicht mehr auf dem Label erscheinen. Der „PLM“ hat alle Herstellerpflichten übernommen.
3.4. Variante 4: Gemeinsamer Vertrauter
Eine Zeit wurde diskutiert, ob ein gemeinsamer Vertrauter des „PLMs“ und „OEMs“ eine Lösung darstellt. Dieser Vertraute würde als ausgelagerter Prozess des Inverkehrbringers (ex PLMs) vollen Zugriff auf die Dokumentation haben und somit dem „PLM“ zugerechnet werden. Der Vertraute wäre zudem über ein NDA mit dem „OEM“ gebunden, das es verbieten würde, vertrauliche Informationen an andere Personen „seiner Organisation“ zu verraten.
Lesenswert ist auch das Positionspapier von Medical Mountains. Beachten Sie, dass das jedoch keine rechtlich bindenden Aussagen enthält.
4. Verantwortlichkeiten von OEM, PLM
4.1 Beispiel für die Aufteilung
Der Quasihersteller (PLM) und der Originalhersteller (OEM) müssen die Verantwortlichkeiten regeln, beispielsweise in Form einer Verantwortlichkeitsmatrix.
Die Aufteilung gemäß Tabelle 2 ist unter der MDR / IVDR hinfällig. Sie kann aber dennoch helfen, Aufgaben zu regeln, beispielsweise wenn der PLM als Hersteller auftritt und der OEM als Entwicklungsdienstleister fungiert, der unter dem QM-System des Herstellers arbeitet. Die Verantwortung verbleibt beim Hersteller.
4.2 Vertrag zwischen OEM und PLM
Ein Vertrag zwischen OEM und PLM musste laut ZLG folgende Punkte regeln (Zitat):
- Geltungsbereich der Vereinbarung (betroffene Produkte/-gruppen)
- Geltungsdauer der Vereinbarung
- Detaillierte Spezifikationen für die jeweiligen Produkte
- Regelungen, wer für welche Dokumentation (technische Dokumentation, DHR (Device History Record), etc.) verantwortlich ist, inkl. Sprache und Aufbewahrungsfristen, auch nach Ende der Vereinbarung
- Rückverfolgbarkeit von Rohmaterial/Komponenten
- Einfluss des PLM auf das Produktdesign
- Regelungen über das Verfahren, wie Änderungen am Produkt und im Herstellungsprozess veranlasst, freigegeben, durchgeführt, dokumentiert und kommuniziert werden
- Recht zur Einsicht in die bzw. Vorlage der Technischen Dokumentationen für die Benannte Stelle und die zuständige Behörde des PLM
- Regelungen zur Zusammenarbeit bei Vorkommnissen/Meldepflichten/Rückruf, auch nach Ende der Vereinbarung
- Zugangsrecht der Benannten Stellen und Behörden zu den Betriebsstätten des OEM und dessen Zulieferer/Unterauftragnehmer
- Informationspflicht bei Änderungen am Status der Bescheinigungen des OEM und/oder PLM
- Umgang mit Kundenreklamationen sowie Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen
- Verantwortlichkeitsmatrix (s. oben).
5. FAQs zu PLMs und OEMs
5.1 Welche Änderungen darf der PLM am Produkt vornehmen?
Generell dürfen die PLMs von der Kennzeichnung (inkl. Handelsname und Logo) abgesehen keine Änderungen am Produkt vornehmen. Dies ist nachvollziehbar, weil jede Änderung eine Auswirkung auf die Sicherheits- und Leistungsfähigkeit des Produkts haben kann. Selbst eine Änderung des farblichen Designs kann Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit des Produkts zur Folge haben.
Die MDR weicht diese strenge Vorgabe auf.
5.2 Was sind die Nachteile und Gefahren für die OEMs und PLMs?
Die Vorteile einer OEM-PLM-Konstellation wurden weiter oben bereits berichtet. Diese Form der Zusammenarbeit birgt aber auch Nachteile und Gefahren für beide Parteien:
- Da ein reiner OEM über keinen direkten Marktzugang und keine direkten Kundenbeziehungen verfügt, ist er abhängig vom PLM – und dessen Vertriebserfolg.
- Umgekehrt ist der PLM abhängig von der Belieferung des OEMs. Das betrifft auch explizit die Versorgung mit Ersatzteilen.
- PLMs verfügen häufig nicht über das technologische Verständnis, das notwendig wäre, um die Qualität der Produkte und der Dokumentation zu prüfen und damit Risiken für Patienten, aber auch das eigene Unternehmen, zu bewerten.
- Dennoch müssen die PLMs letztlich für die Produkte geradestehen.
5.3 Was sind die typischen Schwierigkeiten bei einer OEM-PLM-Konstellation?
Einige Tätigkeiten und Aktivitäten lassen sich nicht strikt zwischen OEM und PLM aufteilen. Dazu zählen insbesondere das Risikomanagement und die Bewertung der Gebrauchstauglichkeit. Dies wird zum Problem, da regelmäßig nur die PLMs über ein ausreichendes Verständnis des Nutzungskontexts verfügen.
Ein häufiger Streitpunkt ist die technische Dokumentation: Die OEMs möchten das technische Wissen nicht offenbaren. Wenn sie nicht selbst als Hersteller auftreten (s.o.), muss der Hersteller (PLM) aber vollständigen Zugang dazu haben. „Escrow Agreements“ können einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten. Allerdings wird dieser Ausweg mit der MDR verbaut. Denn der Hersteller muss über vollen Zugriff auf die Akte verfügen.
5.4 Werden die OEMs auch auditiert?
Wie oben dargelegt, hängt die Antwort auf diese Frage davon ab, ob
- der OEM selbst auch Hersteller im Sinne der Richtlinie ist und
- der OEM selbst über ein vollständiges und zertifiziertes QM-System gemäß Anhang II oder anderes Richtlinienzertifikat verfügt.
Details regelte das oben referenzierte Dokument EK-Med 3.9 B 16. Allerdings ist dieses Dokument nur für die MDD gültig, nicht mehr für die MDR/IVDR. Bei der MDR/IVDR unterliegt der Hersteller der Überwachung durch die Behörden und ggf. durch die Benannte Stelle.
5.5 Wer kann verklagt werden, z.B. wenn einem Patienten etwas wegen eines Produktfehlers zustößt?
Generell kann jeder (z.B. Patienten, Krankenhäuser, Wettbewerber) jeden (OEM, PLM) verklagen. Die Wahrscheinlichkeit einer Klage hängt beispielsweise ab von der „Greifbarkeit“ und der Finanzstärke des potenziell Beklagten.
6. Fazit, Zusammenfassung
Spätestens mit der MDR und IVDR sind die Möglichkeiten genommen, dass sich Hersteller ihrer Verantwortung entziehen, in dem sie sich hinter einem OEM-PLM-Konstrukt verstecken. Derjenige der Produkt erstmalig in den Verkehr bringt, ist in der Verantwortung. Und das ist auch gut so.
Änderungshistorie
- 2024-12-11: Artikel aktualisiert (einige Absätze gelöscht, andere hinzugefügt, andere überarbeitet)
- 2019-10-17: Erste Version des Beitrags veröffentlicht